Magnetfeldreduzierung bei Niederspannungsfreileitungen

Dipl.-Ing. Rainer Elschenbroich, Böblingen
[März 1996]

Die Stromversorgung von Altbauten erfolgt sehr oft noch über den sogenannten "Dachständer", also über Niederspannungsfreileitungen. Die dadurch entstehenden magnetischen Felder spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Baubiologie, denn sie liegen sehr oft in der Größenordnung benachbarter Hochspannungsleitungen. Die Ursachen hierfür sind zum einen der wesentlich geringere Abstand zur Leitung (z.B. Wohnraum direkt unter dem Dach) sowie die Tatsache, daß das Magnetfeld ausschließlich vom fließenden Strom bestimmt wird und somit die Spannung anders als beim elektrischen Feld keine Rolle spielt.

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Inhalt:

1. Grundlagen
2. Magnetfeld durch offen betriebenes Ringnetz mit geschlossenem Neutralleiter
3. Magnetfeld durch den Leiterabstand
4. Magnetfeld durch vagabundierende Rückströme
5. Schluß

 

1. Grundlagen

Ein Magnetfeld wird grundsätzlich verursacht durch einen in einem Leiter fließenden Strom (Abb.1). (H ist das Symbol für das Magnetfeld, I für den Strom.)

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Abbildung 1: Magnetfeld eines stromdurchflossenen Leiters

Das Feld verläuft ringförmig um den Leiter; somit ist auch ein "Anpeilen" mittels einer eindimensionalen Magnetfeldsonde möglich (Abb.2).

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Abbildung 2: Ortung einer Feldquelle

In der normalen häuslichen Elektroinstallation spielen Magnetfelder in der Regel nur eine untergeordnete Rolle, da die beiden Leitungen für den hinlaufenden und den rücklaufenden Strom räumlich so eng beeinander angeordnet und verdrillt sind, daß sich die beiden entstehenden Magnetfelder wegen ihrer gegensätzlichen Richtungen kompensieren (Abb.3).

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Abbildung 3: Kompensation magnetischer Felder

Dies gilt jedoch leider oft nicht für die Elektrizitätsverteilung! Dieser Beitrag soll aufzeigen, welches die feldverursachenden Faktoren sein können und wie ggf. Abhilfe geschaffen werden kann.

 

2. Magnetfeld durch offen betriebenes Ringnetz mit geschlossenem Neutralleiter

Diese Netzstruktur findet bei der Elektrizitätsverteilung eine sehr häufige Anwendung (Abb.4) und ist der Hauptverursacher sehr starker Magnetfelder. (Die Glühbirnen symbolisieren die angeschlossenen Haushalte.)

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Abbildung 4: Offenes Ringnetz mit geschlossenem Neutralleiter

Diese Konfiguration bedeutet, daß der geerdete Neutralleiter aus Sicherheitsgründen ringförmig verlegt ist und somit jeder Haushalt über mindestens zwei Richtungen an Erde angeschlossen ist, während die spannungsführenden Phasen sternförmig verlegt sind und nur im Fehlerfall zur vorübergehenden Überbrückung von Stromausfällen zum Ring geschlossen werden können.

Dies kann jedoch dazu führen, daß der über Umwege zu einem Haushalt hinfließende Strom sich für den Rückfluß zum Trafohaus einen kürzeren Weg suchen kann! Damit findet jedoch keine Magnetfeldkompensation mehr statt; entlang der Leitung entsteht ein mehr oder weniger großes Magnetfeld, welches proportional mit der Entfernung abnimmt. Diese Tatsache sowie die ermittelte "Peilrichtung" kann zum meßtechnischen Nachweis von Ringströmen genutzt werden.

Abhilfe ist hier nur in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Energieversorgungsunternehmen möglich, da es notwendig ist, den Neutralleiter an geeigneter Stelle zu öffnen (nämlich dort, wo auch die sternförmige Verteilung endet) (Abb. 5).

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Abbildung 5: Offenes Ringnetz mit offenem Neutralleiter

Dann muß der Strom auf dem Neutralleiter parallel zur Zuführung auch wieder zurückfließen, was eine weitaus bessere Magnetfeldkompensation bewirkt. Die Energieversorgungsunternehmen verhalten sich hier erfahrungsgemäß unterschiedlich kooperativ; oft wird eine Abhilfe mit Hinweis auf den schlechteren Personenschutz abgelehnt, da jeder Haushalt nur noch über eine Richtung an Erde angeschlossen ist.

Eine andere Lösung - allerdings nicht ganz so effektiv - ist die komplette Schließung des Ringnetzes, sodaß sowohl die Phasen als auch der Neutralleiter geschlossen ringförmig verlaufen (Abb. 6).

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Abbildung 6: geschlossenes Ringnetz

Dies ist jedoch relativ aufwendig, da meist mehrere Ringnetze miteinander vermascht sind und die Maßnahme an sämtlichen beteiligten Ringnetzen durchzuführen ist, um genügend effektiv zu sein.

Wegen der im Fehlerfall möglichen großflächigen Stromausfälle sowie der aufwendigen Fehlersuche im Netz erfreut sich diese Alternative bei den Energieversorgern ebenfalls keiner großen Beliebtheit.

 

3. Magnetfeld durch den Leiterabstand

In sehr vielen Wohngebieten mit Niederspannungsfreileitungen sind diese als blanke Freileitungen verlegt, was einen entsprechenden Abstand der Leiter zur Folge hat. Da die Spannung in der Regel dreiphasig verlegt ist, erhält man zusammen mit dem Neutralleiter 4 Leitungen (Abb.7).

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Abbildung 7: Magnetfeld durch Leiterabstand bei Freileitung

Durch den Abstand der Leitungen können sich die Magnetfelder der Einzelleiter im Zusammenspiel nicht mehr vollständig kompensieren, was vor allem im Nahbereich der Leitung eine Rolle spielt. Dieses Magnetfeld nimmt jedoch mit steigendem Abstand wesentlich schneller ab als das unter Punkt 2 abgehandelte Feld, nämlich nahezu quadratisch mit der Entfernung. Meßtechnisch ist oft keine eindeutige Ausrichtung des Feldes feststellbar; diese hängt stark von der Belastung der einzelnen Phasen ab.

Eine Abhilfe ist hier ebenfalls nur in Zusammenarbeit mit dem zuständigen EVU möglich: Die blanke Freileitung muß durch eine verdrillte isolierte Freileitung ersetzt werden. Durch den daraus resultiernden niedrigen Abstand zwischen den Leitungen sowie die Tatsache der Verdrillung werden die durch den Leiterabstand verursachten Magnetfelder bestmöglich kompensiert. Gegen einen entsprechend tiefen Griff in den Geldbeutel verhalten sich die Energieversorger hier meistens kooperativ.

 

4. Magnetfeld durch vagabundierende Rückströme

Ein weiterer magnetfelderzeugender Effekt ist die Tatsache, daß bei niederohmigen Hauserdungen (Anschluß an metallene Wasserrohrnetze etc.) oft ein beträchtlicher Anteil des Rückstroms über diese Erdung zum ebenfalls geerdeten Trafohaus fließen kann (Abb.8).

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Abbildung 8: Magnetfeld durch vagabundierende Ströme

Dieser Rückstrom "fehlt" zum einen auf der Freileitung, was den unter Punkt 2 genannten Effekt noch verstärken kann; zum anderen werden entlang des Neutralleiters bzw. der Erdungsleitung vom Dachgeschoß bis in den Keller unter Umständen beträchtliche Magnetfelder aufgebaut. Diese nehmen ebenfalls proportional mit dem Abstand der feldverursachenden Leitung ab und lassen sich somit auch leicht orten.

Eine Abhilfe ist hier relativ einfach möglich, wenn das Haus über eine dreiadrige Elektroinstallation mit Schutzleiter verfügt: Die im Sicherungskasten meistens vorhandene Verbindung zwischen Neutralleiter und Schutzleiter - an welchem die Erdung angeschlossen ist - darf aufgetrennt werden, wenn die komplette Stromversorgung des Hauses über eine Drehstrom-Fehlerstromschutzeinrichtung (FI-Schutzschalter) verfügt. Nur dann ist eine Auftrennung zulässig! Technisch gesprochen handelt es sich hierbei um die Umwandlung eines TN-Netzes in ein TT-Netz nach DIN VDE 0100 Teil 410, die jeder Elektriker mit sehr geringem Aufwand durchführen kann.

Bei Altinstallationen mit nur zwei Leitern ("klassische Nullung") ist diese Maßnahme leider nicht realisierbar. Hier kann man Verbesserungen erzielen, indem man z.B. bei Strömen über das Wasserleitungsnetz ein Kunststoffrohr einfügt und somit den Stromfluß unterbricht.

Da dies aber unter Umständen einen wesentlichen Einfluß auf die Qualität der Hauserdung haben kann, ist hier in jedem Falle ein Elektriker zu Rate zu ziehen. Nur dieser kann klären, ob aufgrund weiterer Anforderungen (z.B. Antennenerdung oder Blitzschutz) noch ein zusätzlicher Erder vorgesehen werden muß. Vor allem in Altbauten ist oft kein Fundamenterder vorhanden und das Haus ist ausschließlich über die Wasserleitung geerdet, was heute nur noch in Ausnahmefällen zulässig ist.

Was sich durch diese Maßnahme natürlich nicht beseitigen läßt, sind äquivalente Situationen in den benachbarten Häusern. Dies kann durch den "fehlenden" Strom auf der Rückleitung und der damit verbundenen Unmöglichkeit einer vollständigen Magnetfeldkompensation immer noch zu relevanten Feldern im Bereich der Freileitung führen.

 

5. Schluß

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß sich die Magnetfeldsituation eines mit Niederspannungsfreileitung versehenen Wohnhauses aus den oben geschilderten Einflußgrößen ergibt; oft auch als Kombination von zwei oder sogar allen drei Faktoren.

Bei der Verwirklichung der in der jeweiligen Situation angebrachten Gegenmaßnahmen ist oft eine befriedigende Abhilfe möglich, ohne daß es erforderlich wäre, die Leitung als Erdkabel zu führen - dies würde die teuerste Lösung darstellen. Dadurch würden die durch den Leiterabstand

und durch vagabundierende Ströme bedingten Magnetfelder zwar in der Regel stark reduziert; die durch das offene Ringnetz erzeugten Felder verringern sich jedoch lediglich aufgrund des größeren Abstands zur Leitung.

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